Geschichten aus dem echten Leben!

Hier schreibe ich anonymisiert Geschichten aus dem Echten Leben. Ereignisse die Menschen mit Beeinträchtigungen passiert sind oder die sie selbst erzählten. Wenn Du auch eine Geschichte hast die Du gerne Teilen möchtest, dann schreibe mir diese per Mail: menschenimmittelpunkt.vlbg@gmail.com Ich freue mich über deine Geschichte.


Ein Satz 1000 Gefühle

Die Geschichte handelt von einem sechs Jährigen Jungen. Er ist kaum merkbar beeinträchtigt, trotzdem merken andere Kinder, dass er sich unterscheidet. Worte verletzen: Es wird deutlich klar, wie hart Worte bei dem Jungen ankommen!
Es ist eine echte Geschichte die ich nochmal in Worte verfasst habe.
...

Ein lebensfroher und lebhafter Junge namens Noah lebt in einem Dorf in Vorarlberg. Er ist ein Strahlemann, freut sich über Kleinigkeiten und genießt es, wenn er seine Energie hinaus pulvern darf. Er ist gerne in der Natur und unter anderen Kindern. Er wirkt wie jedes andere Kind und er ist doch anders. Er ist gerade mal sechs Jahre jung und erlebt in seinem kurzen Leben schon Situationen, die an seinem Selbstbewusstsein knabbern. Aber er ist stark. Noah ist stark! Er bekommt eine tolle Unterstützung von seiner Familie.


Er hat eine Wahrnehmungsstörung und ist Hyperaktiv. Er spürt seinen Körper nicht in dem Maß, wie es andere Kinder spüren. Er hat Schwierigkeiten mit dem Toilettengang, denn er merkt nicht genau wann er auf die Toilette muss. Er trägt deswegen Windeln. Noah versteht, dass andere in seinem Alter keine Windeln mehr tragen. Er schämt sich dafür. Wenn eine Toilette in der Nähe ist, dann klappt es schon sehr gut, dann braucht er keine Windeln. Wenn er länger auf den Spielplatz geht oder bei einem längeren Ausflug dabei ist, zieht er vorsichtshalber eine Windel an. Noah mag es überhaupt nicht. Er schaut pingelig darauf, dass diese nicht aus der Hose ragt. Er zieht seine Unterhose so weit darüber wie es nur geht.


Eines Tages wird er von seinen Nachbarn Paul eingeladen. Er freut sich ungeheuerlich. Er spielt nämlich sehr gerne mit anderen Kindern. Er geht zum Nachbarhaus, er fühlt sich gut und denkt sich schon aus, was sie zusammen spielen könnten. Er hat super gute Laune, das wird sich aber gleich ändern. Er betritt den Garten. Es ist Sommer und angenehm warm. Im Garten steht sein Nachbar und dessen vier Jahre älteren Cousin Lukas. Noch ist alles normal. Doch dann, wird er verspottet. “Wer mag schon mit dir spielen, Behindi-Kindi”, sagt der Lukas. Noah ist wie in einer Schockstarre. Er hält inne und sieht keinen Ausweg mehr. In der Entfernung hört er die beiden Jungs lachen. Dann rennt er los. Noah rennt nach Hause. Er stürmt die Stiege hoch und verkriecht sich unter seiner Bettdecke. Nun liegt Noah unter seiner Bettdecke, in seinem schön und kindlich eingerichteten Kinderzimmer und fragt sich was er falsch gemacht hat. Plötzlich geht die Türe auf. Er hört leise Schritte. “Noah?” Die Matratze bewegt sich, als sich seine Mutter besorgt auf die Matratze setzt. Sie berührt ihn sanft. Er bleibt vorerst unter der Decke. Die Decke ist wie ein Schutz. Er ist sehr gekränkt und traurig. Erst will er sich nicht zeigen, nicht einmal seiner Mutter. Dann kriecht er doch nach kurzer Zeit aus seinem Versteck. “Was ist passiert?”, fragt seine Mutter behutsam und so ruhig es geht. Sie hat die Situation vom Balkon aus beobachtet. Eigentlich würde sie gerne die Stiege hinunter sprinten und die Kinder an sich rannehmen. Sie ist sehr wütend und schockiert zugleich.


Noah will nicht reden. Er ist still. Das einzige was sie hört ist ein leises wimmern. Sie wird auch traurig. Doch noch trauriger wird sie als sie hörte, was Noah sie fragte: “Mama, was muss ich tun, dass ich jetzt in den Himmel komme?” Will er sterben? Weiß er überhaupt was er da von sich gibt? Er kann seine Gefühle nicht gut zu ordnen und weiß nicht wie er sich fühlen soll oder darf. In ihm kommt eine Art hass gegen sich selbst auf. Seine Mutter ist ebenfalls in ihren Gefühlen gefangen. Sie schafft es, Noah zu beruhigen. Gemeinsam halten sie an ihren eigenen Gefühlen fest und liegen sich in den Armen. Es ist ein warmes Gefühl. Ein Gefühl der Sicherheit und der Geborgenheit.


Es fing mit einem einzigen Satz an. Ein nicht durchdachter gemeiner Satz von einem Kind. Ein Auslöser von Gefühlen wie Angst und Selbstzweifel. Durch die gute und behutsame Kontaktaufnahme von der Mutter, wurden auch Gefühle wie Geborgenheit und Sicherheit ausgelöst. Die verletzende Handlung ist dadurch in eine in eine recht gute Endsituation gelangt.



Die Busfahrt

Lena fährt gerne mit dem Bus. sie schaut dann neugierig in der Umgebung herum. Eine Mödchengruppe fühlte sich belästigt, doch Lena hat nicht böse gekuckt, sie war interessiert. Das Mädchen kam zu Lena und Lenas Oma und beschwehrte sich. Ihr Vater hat auf Facebook einen Brief für dieses eine Mädchen geschrieben.

Liebes busfahrende Mädchen,


ich habe Dich und Deine beiden Freundinnen am Samstag leider nicht persönlich getroffen, habe Dir aber unendlich viel zu sagen.


Lena - meine Tochter - und ihre Oma fuhren zusammen mit Euch im selben Bus. Ihr müsst ungefähr 14-15 Jahre alt gewesen sein. Gelegentlich trafen Lenas Blicke Euch. Keine bösen Blicke. Keine hässlichen Blicke. Nein, Blicke aus Interesse und Neugier. Blicke voller Zuneigung, weil Lena jeden Menschen mag.


Lena ist geistig behindert. Sie hat einen Gendefekt, der sich SYNGAP1 nennt und ihr und unser Leben in vielen Bereichen ein wenig anders macht. Auch beim Bus fahren. Für Lena sind Busfahrten nicht die schnöde Möglichkeit von Ort A nach Ort B zu kommen.

  • Für Lena sind Busfahrten die Teilnahme am „normalen“ Leben.

  • Für Lena sind Busfahrten ein Abenteuer.

  • Für Lena sind Busfahrten das Allergrößte.


Nachdem Deine Freundinnen und Du den Bus zu Eurem persönlichen Spielplatz gemacht habt, was für mich vollkommen ok ist, und Ihr immer wieder kreuz und quer die Plätze innerhalb des gesamten Busses wechseltet, wecktet Ihr wohl auch gelegentlich Lenas Interesse.

Vielleicht war sie amüsiert, vielleicht war sie neugierig oder einfach ratlos, was Ihr da eigentlich die ganze Zeit macht. Sie muss daher einige Male in Eure Richtung geschaut haben. Die meiste Zeit nahm sie aber alle anderen Eindrücke wahr, die so eine Busfahrt mit sich bringt und die „normale“ Menschen wir Ihr und ich gar nicht mehr so wahrnehmen. Vorbeiziehende Straßen, die Geräusche in einem Bus und - ja - auch die Menschen. Eben auch Euch.


Liebes busfahrende Mädchen,


Du bist irgendwann auf Lena und ihre Oma zugegangen und sagtest, dass Lena Euch gefälligst nicht die ganze Zeit anschauen solle. Ihr - besonders Deine Freundin - würdet Euch dadurch belästigt fühlen. Es tut mir unendlich leid, dass es Euch unangenehm war.

Aber irgendwann wirst Du kein busfahrendes Mädchen mehr sein. Du wirst älter, vielleicht/hoffentlich auch viel reifer, verständnisvoller und emphatischer. Vielleicht bekommst Du auch eigene Kinder. Eigene Kinder sind nämlich ein wunderschönes Erlebnis, was man nicht verpassen sollte.

Wenn Du Dein Kind nach der Geburt in den Arm nimmst und froh bist, dass es bei Dir ist, „gesund“ und munter, und dass es Dich voller Zuneigung anschaut, wirst Du es anlächeln. Genauso wie Lena auch heute noch jeden Menschen anschaut und anlächelt. Eben wie am Samstag auch Deine Freundinnen und Dich.

Vielleicht sitzt Du auch irgendwann im Bus oder auch anderswo. Mit Deinem Kind. Vielleicht ist es gesund, vielleicht auch behindert. Aber sicher wird es mit seinen Augen die Welt erkunden.

Vielleicht kommst Du dann auch mal in diese Situation, in der jemand etwas Gleichartiges oder noch Schlimmeres zu Deinem Kind und Dir sagt. Ein Moment, in dem Du merken wirst, dass aus Deinem Herzen und besonders aus dem Herzen Deines Kindes ein ganz kleines Stück herausbricht.


Ich wünsche es Dir nicht, denn es ist ein wirklich trauriges Gefühl.


Denk bitte immer daran: „Nicht behindert zu sein ist wahrlich kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem von uns jederzeit genommen werden kann.“ - Richard von Weizsäcker. Denn manchmal ändern sich Dinge im Leben schneller, als man denkt…


Ich wünsche Dir und Deinen Freundinnen von Herzen alles Gute.


Liebe Grüße Lenas Papa


--- Der Beitrag darf gerne geteilt werden. ---


Vielleicht erreicht meine Botschaft auf diesem Weg doch noch das busfahrende Mädchen oder auch andere "busfahrende" Menschen.

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